Der Lengericher Steuerempfänger einst mit dem Amtsvogt gegen das Scheibenschießen

Lengerich
Die heutigen Schützenfeste nannte man früher einfach “Scheibenschießen” und wurden in hiesieger Gegend im Winter gefeiert, weil die Leute dann am meisten Zeit hatten. Zur Franzosenzeit waren alle dieses Feste verboten, und als die hannoversche Zeit anbrach, entfallteten sich diese Volksfeste wieder zur vollen Blüte. Einigen Behörden war das lustige Treiben bei diesen Gelegenheiten aber ein Dorn im Auge, so z.B. dem Steuerempfänger und dem Amtsvogt (Bürgermeister) von Lengerich, so dass sie sich höheren Orts um ein Verbot verwendeten. Hierrüber liegen uns die Originaldokumente vor, die wir hiermit zur Erheiterung unserer Leser wörtlich wiedergeben:

Lengerich i. Hannover, 12. Dezember 1822
Mein Herr Amtsvogt
Da bisher Dasjenige was die hiesigen Einwohner inn Produkten und Fabrikaten zum Verkauf bringen können so wohlfeil ist, wie es seit langen Jahren nicht gewesen ist, und die Einwohner im allgemeinen klagen, dass es schwer fällt, die Steuern zu bezahlen, so habe ich ersuchen wollen, das Scheiben-Schießen, welches seit einigen Jahren nicht allein in den Bauerschaftem, sondern auch hier im Dorf zu geschehen pflegt, dieses Jahr zu verbieten, damit die Bauernsöhne und Knechte das wenige Geld, das sie noch auftreiben können, nicht unnötig verwenden. denn es sind Heuerleutesöhne darunter, deren Eltern lamentieren, dass sie wegen Armut von der Peraonnensteuer los werden wollen und nicht wissen, wo sie wegen Geldmangel das benötigte Brotkorn erhalten sollen.
Übrigens bin ich mit aller Hochachtung der ergebenste Willer Steuerempfäner

Der Amtsvogt Biermann glaubte dem Wunsche der Steuerempfängers willfahren zu müssen und schrieb an das Amt Freren.

Lengerich, 14. Dezember 1822

Königl. Wohll. Amt wolle aus der anliegenden Anzeige drs Steuerempfängers Willer zu ersehen belieben, aus welchen Gründen er die in der Regel mit Schwelgerei und Geldvergeudungen verknüpfte seit 1816 wieder eingeführte Fewohnheit des Scheibenschießens abgestellt zu sehen wünscht. Diese Volksbelustigung wir hier gewöhnlich im Monat Januar sechs Mal, nämlich im Dorfe und in jeder der fünf Bauernschaften nur von den jungen Leuten, Knechten und Mägden veranstaltet, welche bei solchen Gelegenheiten, werder Ziel noch Maas in ihren Vergnügen kennen, und hat durchaus keinen guten, sondern für die Gesundheit und für den Geldbeutel gleich nachteiligen Zweck. Auch werden den Herrschaften dadurch 6 Arbeitstage von ca,75 Menschen, also 450 Arbeiter, jeder nur zu best berechnet, eine Summe von 135 fl. entzogen, wenn man auch die unnütz verschwendet werdenden Zech und Tanzkosten nicht in Anschlag bringt. (Eine einzige Ausnahme des Scheibenschießens im Kreise Lingen macht jedoch der Ort Wettrup, wo nach wie vor das Scheibenschießen im Monat Januar gefeiert wird (Die Redaktion) Bei diesen Umständen und da es sich in den jetzigen Zeiten so schwer hält, die einzelnen Beiträge von den Steuerpflichtigen und Contribuenten zu erhalten, bitte ich Kgl.Hochwohllöbl. Amt ganz gehorsamst, mich hochgeneigt zu authorisieren, die Erlaubnis des Scheibenschießens wenigstens für das anstehende Jahr verweigern und die etwaigen Übertreter zur Bestrafung anzeigen zu dürfen.
Der Vogt Biermann

Das Amt Freren leitete diesen Brief an die vorgesetzte Behörde in Lingen zur Entscheung weiter. Dieses entschied vernünftiger Weise also:

Lingen den 19. Dezember 1922
Da es ein Volksfest ist und stets gemütlich gefeiert wird, so soll es auch beim Alten bleiben.

Quelle: Lingener Tagespost vom 27.01.1966